• 8. Juni 2021

Die „GameStop-Aktie“: Eine Spekulationsschlacht, die für Aufsehen sorgt

Im Januar hat die GameStop-Aktie des gleichnamigen US-amerikanischen Videospielhändlers die Wall-Street in Aufregung versetzt: Sie war Epizentrum des ersten Falls eines von Kleinanlegern angefachten „räuberischen Handels“. Seit ein paar Tagen entflammt der Konflikt aufs Neue. Wissenschaftler der Universität Paderborn haben untersucht, wer an der Spekulation teilgenommen hat, wie sich die Anleger verhalten haben und inwieweit sich die persönlichen und handelstechnischen Merkmale der Investoren von denen regulärer Kleinanleger unterscheiden. Ihre Ergebnisse haben die Wirtschaftswissenschaftler um Prof. Dr. Matthias Pelster jetzt im Fachmagazin „Finance Research Letters“ veröffentlicht. Sie zeigen, dass der Vorfall kein Protest gegen die Wall Street war, sondern spekulativer Handel einer Gruppe von Kleinanlegern.

Der Fall zusammengefasst: Durch einen sogenannten „Short Squeeze“, initiiert von GameStop-Händlern, wurde der Aktienkurs massiv in die Höhe getrieben, zeitweise sogar um rund 1600 Prozent. Ziel der Anleger war es, Leerverkäufer, die Basiswerte zuvor leihen und dann verkaufen, durch das koordinierte Kaufen von Aktien aus der Reserve zu locken. Dazu Pelster: „Der starke Preisanstieg war allerdings keine Reaktion auf ein wirtschaftliches Ereignis – wie es in der Regel der Fall ist –, sondern ist weitgehend Kleinanlegern zuzuschreiben. In den Nachrichten wurde suggeriert, dass sie sich gegen die Wall Street stellen.“ Aus Sicht der Forschung sei das Ereignis laut Pelster deshalb so interessant, weil es den ersten Fall von räuberischem Handel darstellt, der Kleinanlegern zuzuschreiben ist. „Man spricht hier von ‚Predatory Trading‘, das dann auftritt, wenn Anleger dem Markt Liquidität entziehen, anstatt sie bereitzustellen, indem sie in die gleiche Richtung wie ein – möglicherweise notleidender – Großanleger handeln, um ihn zur Liquidation zu zwingen. Die Liquidation führt zu einem Überschießen des Preises, was es den ‚Räubern‘ ermöglicht, Gewinne zu realisieren“, erklärt Pelster, Professor am Department „Taxation, Accounting and Finance“ der Universität Paderborn. Inzwischen schnellt der Kurs wieder in die Höhe, bislang aus ungeklärten Gründen.

Die Ergebnisse der Paderborner Wissenschaftler legen nahe: „GameStop-Händler haben schon in der Vergangenheit häufig in spekulative Instrumente investiert, darunter in Aktien mit sogenannten lotterieähnlichen Merkmalen. Außerdem schlossen sie ihre Positionen mit größerer Wahrscheinlichkeit schon vor dem Höhepunkt der Episode im Januar“, erklärt Pelster. Und weiter: „Obwohl die Kleinanleger immense Aufmerksamkeit in den Medien auf sich gezogen haben, wissen wir nicht, wer sie sind und warum sie mit GameStop-Aktien gehandelt haben. Wie nicht erst der Hype jedoch deutlich gezeigt hat, können Kleinanleger durch ihre Positionierung und ihren Orderflow, also durch viele Käufe und Verkäufe innerhalb kürzester Zeit, die Aktienkurse bewegen.“

Die Forscher haben herausgefunden, dass sich das Profil der Kleinanleger während des Rauschs geändert hat. Nämlich dann, als die Aktie zunehmende Aufmerksamkeit in den Medien erhielt. Pelster: „Interessanterweise finden wir auch eine beträchtliche Anzahl von Kleinanlegern, die Anfang Januar Short-Positionen gegen GameStop einnahmen, was darauf hindeutet, dass die Darstellung in den Medien als Kampf zwischen Kleinanlegern und der Wall Street etwas unvollständig ist. GameStop-Investoren haben in der Tendenz eher eine Vergangenheit im Handel mit hochvolatilen, also schwankenden, und lotterieähnlichen Aktien. Diese spekulativen Anleger schlossen ihre Positionen eher vor dem Höhepunkt der Blase. Das wiederum legt nahe, dass die Entscheidung, mit GameStop-Aktien zu handeln, mit einer Anziehungskraft des Glücksspiels am Aktienmarkt einhergeht.“

Bei ihren Untersuchungen haben die Forscher sogenannte Logit-Regressionen, das sind bestimme statistische Analyseverfahren, verwendet, um die Entscheidung zum Handel mit GameStop-Aktien zu einem bestimmten Zeitpunkt zu identifizieren. Dabei haben sie verschiedene Zeiträume unter die Lupe genommen, um die unterschiedlichen Phasen des Rauschs zu erfassen. Pelster nennt ein zentrales Ergebnis: „Mit der Vorstellung übereinstimmend, dass „Predatory Trading“ die Liquidität reduziert, wenn große Händler sie am meisten brauchen, haben wir beobachtet, dass die Geld-Brief-Spanne der GameStop-Aktie in der zweiten Januarhälfte 2021 deutlich zunahm. Der Geldkurs bezieht sich auf den Preis, zu dem Anleger bereit sind, ein Produkt zu kaufen. Der Briefkurs ist der Preis, zu dem Investoren eine Ware verkaufen. Während die durchschnittliche Geld-Brief-Spanne 2020 noch 1 Cent betrug, belief sie sich zwischen dem 11. Januar und dem 1. Februar 2021 durchschnittlich auf 129 Cent. Diese Zahlen verdeutlichen die Illiquidität des Marktes zu einem Zeitpunkt, an dem die Liquidität für große Leerverkäufer am dringendsten benötigt wurde – ein wesentlicher Aspekt des Predatory Tradings.“ Dem Wissenschaftler zufolge gab es außerdem zahlreiche Kleinanleger, die Short-Positionen in GameStop eingegangen sind, was darauf hindeutet, dass Kleinanleger anfangs auf beiden Seiten der Trades standen.

„Wir haben zu jeder Zeit Käufe und Verkäufe beobachten können. Auch wenn einige Experten das Verhalten der Kleinanleger als Protest gegen die Wall Street auffassen, deuten ihre Vorgeschichten mit hochriskantem Verhalten und die frühzeitige Schließung ihrer GameStop-Positionen darauf hin, dass die Teilnahme bis zu einem gewissen Grad durch ihre Lust am Glücksspiel angeheizt wurde“, erläutert Pelster. Abschließend räumt er ein: „Einige der GameStop-Investoren, die Teil unserer Stichprobe sind, verfolgen sicherlich keine räuberischen Interessen, sondern sind echte Value-Investoren. Bei unseren Studien haben wir uns nur auf Privatanleger konzentriert und können daher nicht sagen, wie sich institutionelle Anleger verhalten haben. Als Verursacher des Short Squeeze wurden Kleinanleger identifiziert.“

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