• 8. März 2022

Gustav Vriesen und die Entdeckung der Moderne in Bielefeld, 10.4.–4.9.2022

Ausgestellte Künstler: Hans Arp, Willi Baumeister, Max Beckmann, Reg Butler, Robert Delaunay, Sonia Delaunay, Hella Guth, Richard Haizmann, Ida Kerkovius, Guitou Knoop, August Macke, Paula Modersohn-Becker, Edvard Munch, Edgard Pillet, Oskar Schlemmer, Pierre Soulages, Hermann Stenner, Hedwig Thun.

Erstmals zeigt das Kunstforum Hermann Stenner eine groß angelegte Ausstellung, die das Werk eines Museumsdirektors und Kurators in ihr Zentrum stellt und dessen kunsthistorische Entdeckungen präsentiert.

Gustav Vriesen (1912–1960) war der Stadt Bielefeld sehr verbunden, insoweit er von 1954 bis zu seinem plötzlichen Tod das Städtische Kunsthaus, Vorgänger der Kunsthalle Bielefeld, leitete und den frühverstorbenen Expressionisten Hermann Stenner wiederentdeckte, den das Kunstforum zum Namensgeber wählte.

Der aus Essen stammende Kunsthistoriker war zuvor am Landesmuseum Oldenburg und dem dortigen Kunstverein tätig, wo er 1948 eine der ersten Nachkriegsausstellungen zu August Macke präsentierte. Durch seine Ankaufs- und Ausstellungspolitik ist er ein relevanter Zeitgenosse, der den kulturellen Wiederaufbau nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs aktiv vorantrieb und mit seinen künstlerischen Leitfiguren an die im Nationalsozialismus verfemte Avantgarde des frühen 20. Jahrhunderts anknüpfte. Sein Fokus lag auf den bedeutenden Jahren von 1910 bis 1914, in denen August Macke, Sonia und Robert Delaunay sowie Hermann Stenner Höhepunkte ihres Schaffens erlebten und die deutschfranzösischen Dialoge einen Knotenpunkt der europäischen Avantgarde bildeten.

Vriesens Aufarbeitung des bis dahin unveröffentlichten Materials aus dem Macke-Nachlass in Zusammenarbeit mit dessen Familie mündete in eine grundlegende Monografie mit erstem Werkverzeichnis, Ausstellungen, mehreren Aufsätzen sowie zahlreichen Vorträgen im In- und Ausland. Mit seiner Forschung zu Mackes Zeitgenossen und Künstlerkollegen Hermann Stenner gelang es Vriesen, den Maler in der öffentlichen Wahrnehmung nach Jahrzehnten des Vergessens bekannt zu machen. Die Forschungen zu Macke und Stenner finden ihre systematische Fortsetzung in der Auseinandersetzung mit Sonia und Robert Delaunay.

Gustav Vriesens grundsätzliches Bestreben, kunsthistorisches Neuland aufzu-schließen, ist u. a. durch seine Entdeckung des Bildhauers Richard Haizmann do-kumentiert, dessen vergessenes Werk der 1920er und 1930er Jahre er in einer Ausstellung mit OEuvrekatalog 1955 dokumentarisch zusammenfasste. Durch seine programmatische Ankaufspolitik verfolgte Gustav Vriesen einen gezielten Sammlungsaufbau mit modernem sowie internationalem Anspruch und bewies sein Gespür für aufstrebende künstlerische Positionen. Zu einer Ausstellung der Bauhausschülerin Hedwig Thun, die mit Vriesen korrespondierte, ist es zu seinen Lebzeiten nicht gekommen. Die heute völlig vergessene Detmolder Künstlerin (1892–1969), deren Nachlass ebenfalls neu aufgearbeitet wird, stellt das Kunstforum Hermann Stenner umfangreich als Neuentdeckung vor.

Erstmals wird in einer Ausstellung auf Basis des bisher unbekannten Nachlasses von Vriesen und unveröffentlichtem Archivmaterial die Arbeitsbiographie eines Kunsthistorikers durch Werkgruppen der von ihm gewählten Künstler:innen sichtbar gemacht. Leihgaben aus renommierten öffentlichen Häusern sowie privaten Sammlungen stellen einen Schatz der Avantgarde des 20. Jahrhunderts und der Nachkriegsmoderne erstmals in einen methodisch neuen Zugang.

Verknüpft mit Dokumentarmaterial zeigen die Werkkonvolute in eigens eingerichteten Künstlerräumen die Netzwerke des Kunsthistorikers, dem selbst auch ein Kabinett zu seinem eigenen zeichnerischen Werk gewidmet wird. Damit erschließt die Ausstellung ein bisher so nicht zur Sichtbarkeit gebrachtes Kapitel Kunstgeschichte der Nachkriegszeit.

Zur Ausstellung erscheinen im Hirmer Verlag zwei Katalogbände mit Beiträgen von Christiane Heuwinkel, Maja Jakubeit, Dr. Tanja Pirsig-Marshall, Christina Végh, Prof. Dr. Christoph Wagner und Ann-Catherine Weise.

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